Ein Dorf voller Energie:
Foto: Ministerin Mona Neubaur bewundert in Kleinenbremen die Bernsteinkette an der Tracht von Simone Weigel. © Stefan Lyrath
Porta Westfalica. Das waren noch Zeiten – aber keine guten: Mit 13 Jahren beginnt Rudi Kugel seine Lehre, mit 15 malocht er zum ersten Mal unter Tage und steht hinterm Bohrhammer. Heute ist der Bergmann 80 und die Knochen sind kaputt.
Trotzdem ist Rudi Kugel auch als Rentner noch in den Stollen der stillgelegten Grube unterwegs. Bei der Eröffnung des Besucher-Bergwerks Kleinenbremen im Jahr 1988 gehörte er zu den Bergführern der ersten Stunde. Die harte Arbeit als Hauer hat Spuren hinterlassen. Humorvoll zählt der 80-Jährige im Gespräch mit Mona Neubaur (Grüne) auf, wo es überall wehtut. Vor allem der Rücken macht Probleme.
Späße mit dem Bergmann
Auf ihrer Sommertour ist die NRW-Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin auch in Kleinenbremen zu Gast. „Dafür, dass Sie so kaputt sind, wirken Sie sehr lebendig“, macht Neubaur Rudi Kugel ein Kompliment. „Man muss kämpfen“, antwortet der.
Kugel hat die Qualitäten eines Entertainers. „Hinter so einem Geschütz habe ich mit 15 schon gestanden“, erzählt er, wirft einen Bohrhammer an und macht ihn nach ein paar Sekunden wieder aus. Was für ein Lärm. „Das reicht, sprach der Staatsanwalt“, sagt Kugel. Guter Spruch. Allgemeines Schmunzeln.
„Alle Bergleute, die hier gearbeitet haben, sind heute schwerhörig“, erzählt der Nammer. „Manchmal denke ich, es ist ganz gut, wenn man zu Hause nicht alles hört“, scherzt er und fügt umso ernster hinzu: „Die schlimmste Krankheit ist die Bohrhammerkrankheit.“ Durch die ständigen Vibrationen kann es später zu krankhaften Veränderungen von Knochen und Gelenken oder Schädigungen von Nerven und Gefäßen kommen.
Gefühlt das halbe Dorf auf den Beinen
Kugel selbst hat 16 Jahre in der benachbarten Grube Nammen gearbeitet, mittlerweile die letzte noch aktive Eisenerzgrube in ganz Deutschland. Aus der Grube „Wohlverwahrt“ Kleinenbremen ist das Besucher-Bergwerk geworden.
Mona Neubaurs Pressesprecherin mahnt zur Eile, aber die Ministerin möchte noch ein bisschen bleiben und den spannenden Geschichten lauschen. Rudi Kugel trägt sein Herz auf der Zunge. „So ist das im Bergbau – rau aber herzlich“, sagt er. „Ich komme wieder“, verspricht die Ministerin.
Schwer beeindruckt hat sich Mona Neubaur zuvor auch vom Engagement der Ehrenamtlichen in Kleinenbremen gezeigt, wo bei ihrem Eintreffen „gefühlt das halbe Dorf“ auf den Beinen ist, wie sie feststellt. „Es ist wichtig, dass Menschen Heimat schaffen – wie hier“, betont die Ministerin. „Das macht uns stark.“
Einige wollen viel investieren
In Kleinenbremen gibt es Neues von der Dorfwerkstatt. „Wir stehen kurz vor der Gründung einer Genossenschaft für Energie in Bürgerhand“, berichtet Andreas Willert, Sprecher der Arbeitsgruppe „Bürgerenergie“. Willert und seine Mitstreiter nutzen die Gelegenheit und überreichen Neubaur persönlich einen Katalog von Fragen an ihr Ministerium.
„Es gibt viele Anfragen von Bürgern, die hier investieren möchten“, erklärt der Sprecher. Die Rede ist von Investitionen im teils fünfstelligen Bereich. Erste Projekte, so Willert, würden nicht an der Finanzierung scheitern. Dieses erste Projekt könnte eine Photovoltaik-Anlage auf einem Gebäude sein.
In dem Fragenkatalog geht es unter anderem darum, wie Projekte aus Sicht des Ministeriums aussehen sollten. Die Arbeitsgruppe Bürgerenergie verfolgt mehrere Ziele. So will sie dazu beitragen, die Energiewende hin zu regenerativen Energiequellen in der Region voranzutreiben und die Bürger dabei einzubeziehen. Gewinne sollen der Region und deren Bürgern zufließen – auch um zu verhindern, dass Land oder Gebäude „von großen Investoren vereinnahmt“ werden.
Schlechte Nachrichten vom Mühlenteich
Weniger gute Nachrichten gibt es vom Mühlenteich hinter Hartings Mühle, deren früheres Müllerhaus zurzeit zu einem Dorfcafé umgebaut wird. „Der Mühlenteich müsste abgedichtet werden“, berichtet Heino Heine, aktiv im Heimatverein und Moderator der Dorfwerkstatt. Vorher müsse eine Fachplanung erfolgen. „Wir verlieren Energie, das ist ja Ihr Thema“, macht Heine der grünen Ministerin das Projekt schmackhaft. „Vielleicht gibt es ja einen schlauen Kopf im Ministerium.“ Für den Teich zuständig ist der Mühlenverein des Kreises, dem die Gebäude mitsamt Grundstück gehören.
Letzte Station auf der Reise zu ausgewählten Zielen in Porta ist der Nammer Dorfladen, dessen Macher gerade erst den Ehrenamtspreis der Stadt bekommen haben. Die Ministerin lässt sich das Sortiment zeigen und kauft ein Glas Gurken. Dann ist der Kaffee fertig.
„Bei Kaffee, Kuchen und Schnittchen konnten wir über Themen wie den Lkw-Verkehr durch Nammen, die Schwierigkeiten, Gemeinnützigkeit für Dorfladenvereine in NRW zu erlangen, und die große ehrenamtliche Community in Nammen sprechen“, berichtet Heike Bünte, die Vorsitzende des Trägervereins, später auf der Seite des Laurentius-Lädchens bei facebook.
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