Oktober 2022: Heimat Westfalen, 35. Jahrg. 5/2022

8 / HEIMAT WESTFALEN – 5/2022 ment zum Erliegen kommen würde. Anders formuliert: Wenn man kulturelles Erbe als die Gesamtheit der materiellen und immateriellen, beweglichen und unbeweglichen Kulturgüter versteht, denen eine Gesellschaft eine besondere Bedeutung zuschreibt, dann ist breites und qualifiziertes bürgerschaftliches Engagement nichts weniger als eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt unseres kulturellen Erbes, eine conditio sine qua non (aus dem Lateinischen wörtlich: „Bedingung, ohne die nicht“, das heißt notwendige Bedingung). Jenseits dieser sehr konkreten Argumentation, mit ihrem Blick auf die tatsächlichen Beiträge des bürgerschaftlichen Engagements zu unserem gesellschaftlichen Zusammenleben insgesamt und dem Erhalt des kulturellen Erbes im Besonderen, sind es drei eher grundsätzliche Erwägungen, die meine persönliche Wertschätzung gegenüber dem Ehrenamt maßgeblich prägen. Erstens: Demokratie An erster Stelle steht dabei meine Überzeugung, dass bürgerschaftliches Engagement im zivilgesellschaftlichen Raum Voraussetzung wie Kennzeichen einer liberalen und pluralistischen Demokratie ist. Der im Bereich Zivilgesellschaft und Stiftungswesen tätige Politikwissenschaftler und Historiker Rupert Graf Strachwitz spricht mit Blick auf die Zivilgesellschaft als „Arena des bürgerschaftlichen Engagements“ von einer „Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie.“ Die Zivilgesellschaft sei insoweit „systemrelevant und demokratiekonform.“ „Beides“ – eine aktive, selbständige Zivilgesellschaft und die Demokratie – „gründet auf Rechten, die jeder Bürgerin und jedem Bürger von Natur aus innewohnen“, so Strachwitz. „Die Rechte sind im Grundgesetz verbrieft, gehen jeder Verfassung aber voraus; zu ihrer Achtung hat sich Deutschland in zahlreichen völkerrechtlich verbindlichen Erklärungen und Verträgen verpf lichtet. […] Deutschlands Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist zwingend daran gebunden, dass Menschen- und Bürgerrechte, die Herrschaft des Rechts und Demokratie die handlungsleitenden Prinzipien jeder gesetzgebenden, richterlichen und exekutiven Gewalt bilden. Das Gewaltmonopol, das die Bürgerinnen und Bürger dem Staat eingeräumt haben, ja überhaupt das Mandat, das sie ihm als Herrinnen und Herren des Verfahrens erteilt haben, findet hier seine Grenze. Die Tätigkeit selbst ermächtigter, selbstorganisierter, unabhängiger kollektiver Akteurinnen und Akteure im öffentlichen Raum unterliegt insofern nicht der Disposition staatlicher Organe, ist schon gar nicht starke allianzen für kultur Titelblatt des Kataloges zur Ausstellung „Afghanistan. Gerettete Schätze. Die Sammlung des Nationalmuseums in Kabul“ im Jahr 2011 Grafik/ Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH (abgerufen am: 29. September 2022 unter: www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/ archivierte-ausstellungen/afghanistan.html) „Wir brauchen den Einsatz, das Wissen und die Leidenschaft möglichst vieler Menschen! In dem Maße, in dem wir Kultur als Produkt von Vielfalt und kreativem Reichtum begreifen, müssen wir auch dafür sorgen, dass im Kulturbereich Vielfalt und kreativer Reichtum nicht nur erhalten bleiben, sondern stetig weiterwachsen. Wir müssen also die Voraussetzungen dafür schaffen, dass bürgerschaftliches Engagement in der Kultur ausgebaut werden kann und das Ehrenamt gestärkt wird.“

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