Gemeindebrief Sommer 2022

VERANSTALTUNGSHINWEIS | 11 10 | VERANSTALTUNGSHINWEIS Wir freuen uns sehr, Ihnen am 27. August 2022 eine besondere Veranstaltung in unserer Kirche anbieten zu können: Johann Sebastian Bachs H-Moll-Messe in der Kirche Kleinenbremen und St. Martini Dazu schreibt Martinikantor Ulf Wellner: „Es muss ein Paukenschlag werden– eine große Wiederauferstehung unserer Kan‐ torei nach der Coronazeit.“ Das haben wir uns vor über einem Jahr im tiefsten Lockdown ge‐ sagt und damit Pläne geschmiedet für die Zeit nach der Pandemie. Wir haben uns nicht nur eine Riesenaufgabe vorgenommen, sondern eine der größten überhaupt, der man sich als Kantorei stellen kann: BACHS H-MOLLMESSE. Seit 250 Jahren hat dieses Stück ei‐ nen legendären, ja geradezu mythischen Ruf, und das, obwohl es erst spät (gegen Ende des 19. Jahrhunderts) zum real erlebbaren und auf‐ geführten Repertoirestück wurde. So groß wa‐ ren die Schwierigkeiten des Werkes, vor allem im Chorpart und in den Trompetenpartien, dass noch Felix Mendelssohn Bartholdy vor einer Aufführung zurückschreckte – und das, obwohl es ihm bereits als Jugendlichem ge‐ lungen war, Bachs Matthaeuspassion mit einer Wiederaufführung zu einem zentralen Werk des globalen Musikrepertoires zu machen. Heute ist die H-Moll-Messe weltweit das am häufigsten aufgeführte Oratorium Bachs, si‐ cher auch, weil ihr lateinischer Text sprachund konfessionsübergreifend wirkt. Die H-Moll-Messe gilt als eine Art Vermächt‐ nis Bachs und wurde wohl in gewisser Weise auch von ihm selber bereits als solches ver‐ standen und sogar konzipiert. Während der erste große Abschnitt des Werkes, die MISSA aus KYRIE und GLORIA, 1733 für einen konkreten Anlass entstand, vervollständigte Bach das Werk erst in den letzten Jahren vor seinem Tod 1750. Dies vermutlich ohne kon‐ kreten Anlass. Zumindest konnte bis jetzt trotz verschiedener Vermutungen kein Anlass nach‐ gewiesen werden. Die Vermächtnis-These von der Bestimmung der H-Moll-Messe ist natür‐ lich nicht nur entstanden, weil es keine über‐ zeugenden Alternativen dazu gibt, sondern weil das Werk alles zusammenfasst, was Bachs Vokal- und Orchesterkunst bedeutet. So findet sich in der H-Moll-Messe eine gewalti‐ ge stilistische Bandbreite im musikalischen Satz, geradezu eine fantastische Spreizung der Stile: zum einen dringt Bach hier in Regionen vor, die weit in die Zukunft vorausweisen. Zum anderen hat sich Bach gerade am Ende seines Lebens und inzwischen im Besitz von satztechnischen Fähigkeiten, die auch später nie übertroffen worden sind, mit Musik be‐ schäftigt, die bereits zu seiner Zeit Jahrhun‐ derte alt war. Die einzelnen Sätze imStile an‐ tico innerhalb der zeitlos modernen H-MollMesse sind ein besonderer Gipfelpunkt von Bachs Kunst. Sie stehen symbolisch für die Ehrfurcht vor den Kulturleistungen vergange‐ ner Epochen, und sie stehen vor allem für die Ewigkeit der Kirche und der christlichen Bot‐ schaft. Nur Fanatiker haben stets versucht, die Kultur der Vergangenheit auszulöschen. Man denke etwa an die Bilderstürmer der Reformations‐ zeit, die mörderische Bekämpfung alter Kul‐ turen durch die Nazis oder an die verbrecheri‐ schen Kirchensprengungen in der DDR. Zu‐ gespitzt könnte es heißen: je moderner ein Künstler ist, desto mehr interessiert er sich für die Vergangenheit und erhält daraus neue Im‐ pulse für die Gegenwart. Das Allumfassende, das Universale der HMoll-Messe ergibt sich aber nicht nur aus ih‐ rer stilistischen Bandbreite, es ergibt sich auch aus der Fülle der menschlichen Emotionen, die hier ausgebreitet wird: es findet sich größ‐ ter Jubel neben flehentlichem Bitten, dankbare Huldigung neben virtuoser Verspieltheit, größte Majestät und Pracht neben intimer Zartheit, Bizarr-Knorriges neben Lieblich-Sü‐ ßem, Zerknirschung neben heiterem Glück, archaische Strenge neben groovenden Bässen. Dona nobis pacem! – Schenk uns Deinen Frieden! Diesen letzten Satz der H-Moll-Messe hat Bach mit besonderer Eindringlichkeit vertont. Musikalisch bezieht er sich dabei auf den klei‐ nen liturgischen Wechselgesang, den wir bis heute am Ende jedes Gottesdienstes singen: „Gehet hin im Frieden des Herrn!“ – „Gott sei ewiglich Dank!“. Als wir vor über einem Jahr entschieden haben, die H-Moll-Messe im Au‐ gust 2022 aufzuführen, hätten wir nicht ge‐ dacht, welch erschreckende Aktualität Bachs eindringliche Bitte um Frieden in diesem Jahr bekommen würde. Es ist gerade in diese Zu‐ sammenhang sehr bewegend, in welcher Wei‐ se Bach das „Dona nobis pacem“ vertont hat: zunächst als eine Art feierlichen Strom musi‐ kalischen Segens, dann zunehmend glänzen‐ der und prächtiger. Pauken und Trompeten künden schließlich unerschütterlich gegen al‐ les Böse vom Sieg des Friedens, der uns fest zugesagt ist! Es war nicht leicht, dieses Projekt unter Coro‐ nabedingungen zu beginnen, und es liegt noch viel harte Arbeit vor uns. Wir haben lange Zeit nur in kleinen Einzelgruppen geprobt, verein‐ zelt sogar online. Wir haben mit einer Üb-App gearbeitet, die zusätzliche Eigenverantwor‐ tung von den Kantoreimitgliedern verlangt, und wir haben Sonderproben über Sonderpro‐ ben veranstaltet und werden dies noch weiter tun. Aber wir sind sicher, dass alle Mühe be‐ lohnt werden wird, wenn dieses Gipfelwerk der menschlichen Kulturgeschichte am 27. August in der Kirche Kleinenbremen und am 28. August in St. Martini erklingt. Karten sind ab Ende Mai erhältlich bei: express-Ticketservice Minden, Obermarktstraße 26–30, Tel.: 0571-88277 sowie über die Webseiten www.martinigemeinde.de (für 28.08.2022) sowie https://kleinenbremen.ekvw.de (für 27.08.2022)

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